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Lässt sich die demografische Alterung stoppen?

Geburten und Zuwanderung gelten als die beiden wichtigsten Stellschrauben, um die demografische Alterung zu beeinflussen. Tatsächlich reichen die beiden Faktoren aber gar nicht aus, um in den nächsten Jahrzehnten in Deutschland die erwarteten negativen Effekte abzufedern. Das wird nur mit einem Maßnahmemix gelingen.

Zu dieser Schlussfolgerung gelangt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, in der Prof. Dr. Martin Werding und Benjamin Läpple von der Ruhr-Universität Bochum der Frage nachgehen, wie variabel der demografische Alterungsprozess ist. In zahlreichen Langfrist-Simulationen bis 2080 untersuchen die beiden Studienautoren, ob mehr Geburten und Zuwanderung den seit langem absehbaren demografischen Alterungsprozess in Deutschland überhaupt noch deutlich abmildern oder sogar aufhalten können.

In den nächsten 20 Jahren wird die Bevölkerung in Deutschland stark altern. Unabhängig davon, ob die demografischen Trends der letzten 40 Jahre anhalten oder sich Geburten- und Zuwanderungszahlen deutlich erhöhen, steigen die Ausgaben der sozialen Sicherung dadurch bis 2045 von derzeit 890 Milliarden Euro auf etwa 1,6 Billionen Euro (in Preisen von 2017). Aber auch danach ist keine Entspannung in Sicht. Um die entstehenden Ausgaben zu finanzieren, würden nach derzeitigem Rechtsstand die jüngeren Generationen immer stärker belastet. Für die im Jahr 2010 Geborenen steigen die durchschnittlichen Beitragssätze auf über 50 Prozent der beitragspflichtigen Einkommen.

Höhere Geburtenrate hätte bis 2035 keine Wirkung

Aktuell kommen auf 100 Personen zwischen 15 und 64 Jahren etwa 33 Personen über 65 Jahre. 2035 werden es etwa 50 Ältere sein. Selbst wenn die durchschnittliche Kinderzahl je Frau ab dem nächsten Jahr auf 2,0 steigen und sich bis 2040 weiter auf 2,2 erhöhen würde, hätte das auf den starken Alterungsprozess bis 2035 keinen Einfluss. Mehr Geburten wirken erst dann positiv auf die demografische Alterslast, wenn die zusätzlich geborenen Kinder ihr 15. Lebensjahr vollendet haben und erwerbsfähig sind.

Mehr Zuwanderung dämpft kurzfristig, aber verschärft langfristig

Durch steigende Zuwanderungszahlen wiederum lässt sich der Alterungsprozess zwar zunächst abdämpfen. Langfristig altern jedoch auch die Zuwanderer oder wandern wieder ab. Bleiben die Wanderungssalden nicht dauerhaft hoch, verschärft sich der Alterungsprozess langfristig sogar noch.

Sozialausgaben klettern weiter in die Höhe

Besorgniserregend ist den Autoren zufolge, dass selbst unter der weniger realistischen Variante mit hoher Geburtenrate und hoher Immigration die Ausgaben in der sozialen Sicherung substanziell steigen werden. Sie klettern bis 2045 von insgesamt gut 27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2017 (rund 890 Milliarden Euro) auf rund 33 Prozent (rund 1,6 Billionen Euro), mit anschließend weiter steigender Tendenz. Auch daran ändern mehr Geburten kaum etwas. Grund hierfür ist, dass sie unmittelbar die Ausgaben für Bildung und Familie erhöhen. Die Belastung durch Ausgaben für ältere Personen dämpft eine höhere Zahl von Geburten jedoch erst längerfristig.

Verteilungskonflikt zwischen Jung und Alt droht

Unter diesen Bedingungen müsste ein im Jahr 2010 geborener Durchschnittsverdiener im Vergleich zu einem 1970 Geborenen mit identischem Brutto-Lebenseinkommen im Verlauf seines Erwerbslebens insgesamt etwa 171.000 Euro mehr Sozialbeiträge zahlen, um die gleichen Leistungen zu beziehen. Die gesamten Sozialbeiträge eines Erwerbslebens würden damit von durchschnittlich rund 570.000 Euro (Jahrgang 1970) auf 741.000 Euro (Jahrgang 2010) steigen. „Wenn wir aus so stark steigenden Sozialbeiträgen keine Konsequenzen ziehen, droht ein massiver Verteilungskonflikt zwischen Jung und Alt“, so Martina Lizarazo López, Demografieexpertin der Bertelsmann-Stiftung.

Mix aus Maßnahmen für mehr Beschäftigung

Die projizierten Folgen sind nach Auffassung der Autoren jedoch nicht vollkommen unausweichlich. Wenn ein moderater Anstieg von Geburten und Zuwanderung mit einem höheren Beschäftigungsniveau kombiniert wird, lassen sich sowohl kurz- als auch langfristig positive Effekte für die Sozialfinanzen erzielen. „Mögliche Instrumente sind eine schnellere Erwerbsintegration von Zuwanderern, ein Anstieg der Erwerbstätigkeit und des Arbeitsvolumens bei Frauen und Migranten sowie eine Erhöhung der Regelaltersgrenze, die sich an der steigenden Lebenserwartung orientiert“, so Martina Lizarazo López.

Anstieg der Sozialausgaben könnte vermindert werden

Gefordert seien deshalb unterschiedliche Politikfelder wie etwa Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Auch wenn Änderungen des Erwerbsverhaltens teilweise den Charakter einer reinen Lastverschiebung haben, weil höhere Ansprüche erworben werden und dadurch künftig die Rentenausgaben steigen, überwiegen den Autoren zufolge aber bei weitem die günstigen Effekte. Der Anstieg der Sozialausgaben kann dadurch bis 2045 um drei Prozentpunkte, bis 2060 sogar um fast 5 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Effekte für die Beitragssätze sind sogar noch etwas stärker.