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Die Crux mit den Kosten

In und außerhalb der deutschen Versicherungsbranche braut sich eine Diskussion über die Kosten von Altersvorsorgeprodukten zusammen.

Nahezu zeitgleich wurden Ergebnisse einer Untersuchung der Managementberatung Oliver Wyman und interne Papiere des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft bekannt, die das gegenwärtige Niveau der Vertriebskosten für LV-Produkte in Frage stellten. Viele Versicherer haben in den zurückliegenden Jahren bereits anspruchsvolle Programme zu Steigerung der Effizienz aufgelegt und damit auf die Stagnation reagiert, die im Branchendurchschnitt beim Absatz von Lebens- und Rentenversicherungen de facto herrscht.

Nach den Erhebungen von Oliver Wyman wuchsen in der Lebensversicherung die Prämieneinnahmen von 2005 bis 2011 inflationsbereinigt lediglich um drei Prozent, wobei das Wachstum vor allem durch das ausgesprochen volatile Geschäft mit den Einmalprämien vorangetrieben wurde.

Die Versicherer reagierten darauf unter anderem mit Kostensenkungsprogrammen. So verringerten sich die Verwaltungskosten in der Lebensversicherung immerhin um 24 Prozent.

Das klingt gewaltig, doch die Kostensenkungsprogramme erzielten nur zum Teil die erhofften Wirkungen. In sinkenden Stückkosten schlug sich das alles nämlich nur begrenzt nieder. So wurden zwar die Verwaltungskosten gesenkt, die Provisionen sind im Gegenzug aber weiter angestiegen, seit 2005 immerhin um 13 Prozent in der Lebensversicherung. Bei den Maßnahmen zur Kostensenkung blieben diese weitgehend unberücksichtigt, aus Angst, dadurch Marktanteile im Neugeschäft an die Wettbewerber zu verlieren. Die Marktmacht des Vertriebes ist offenkundig erheblich.


Quelle: KIVI, Die Deutschen Versicherer, Analyse Oliver Wyman


Da die Provisionen in dieser Sparte knapp 60 Prozent der gesamten Betriebskosten ausmachen, verpufften die Kostensenkungen an anderer Stelle weitgehend. Wegen der Niedrigzinsentwicklung fällt es den Versicherern allerdings zunehmend schwerer, das hohe Provisionsniveau zu finanzieren und gleichzeitig bei ihren Produkten eine attraktive Rendite zu erreichen. Der Renditeverlust durch die Kosten hat in den letzten zehn Jahren nach Einschätzung von Oliver Wyman dramatisch zugenommen. Im Jahr 2000 machten die Gesamtkosten 20 Prozent der laufenden Verzinsung aus. Dieser Anteil ist mittlerweile auf etwa 40 Prozent gestiegen und hat sich damit innerhalb von etwas mehr als einer Dekade fast verdoppelt.


Quelle: KIVI, Assekurata, Analyse Oliver Wyman


Diese Entwicklung hätte wahrscheinlich in noch viel stärkerem Maße zu Absatzeinbußen geführt, wenn die Kunden von dieser Kostenbelastung wüssten. Aber durch die Intransparenz, die nach wie vor noch in der Lebensversicherung herrscht, können sich auch Anbieter mit einer ungünstigen Kostenstruktur ohne Gefahr behaupten, aus dem Markt verdrängt zu werden. Darauf verwiesen Wissenschaftler des Munich Center for the Economics of Aging (MEA), die in einer Studie die Kosten von Riester-Verträgen untersuchten und eine enorme Spannweite feststellten. Darunter befand sich auch ein Fall, in dem fast ein Fünftel der eingezahlten Beiträge als Kosten abgezogen wurde.

Trotz der Intransparenz gelangen inzwischen viele Sparer zumindest intuitiv zur Auffassung, dass sie wegen der Kosten nicht unbeträchtliche Renditeeinbußen hinnehmen müssen, auch wegen der seit einiger Zeit anhaltend negativen Berichterstattung über die Riester-Rente und andere Altersvorsorgeprodukte. Die Folge: Davon sind auch kostengünstige Versicherer betroffen, da sie auf Grund mangelnder Transparenz keinen Vorteil aus ihren niedrigen Kostensätzen ziehen können.

Ruf nach dem Gesetzgeber

Diese Gemengelage führte mittlerweile im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu einem internen Diskussionsprozess. Wenn es schon am Mut einzelner Gesellschaften mangelt, die Bremse bei den Provisionen zu ziehen, so könnte doch der Gesetzgeber einspringen und unter der Flagge des Verbraucherschutzes eine Grenze ziehen. Die Süddeutsche Zeitung machte im August ein Schreiben des GDV publik, in dem der Verband die Diskussion über eine Höchstgrenze für Vermittlerprovisionen bei Lebens- und Rentenversicherungen anstößt. Nach der Bundestagswahl, so die Intention, sollte von der neuen Bundesregierung eine entsprechende gesetzliche Neuregelung gefordert werden.

In der Position des Getriebenen

Als daraufhin ein Sturm der Erregung durch die Reihen des Finanzvertriebs fegte, bezog die Versicherungsbranche die Position eines Getriebenen. Die Kosten für Altersvorsorgeprodukte stünden mehr denn je im Fokus der Politiker, Kunden und Verbraucherschützer, erklärte GDV-Präsident Alexander Erdland in einem Interview mit dem Branchenportal „Versicherungswirtschaft Heute“. Das Thema „Provisionen“ stehe längst auf der Tagesordnung. Ein Branchenverband, der sich darauf nicht vorbereite, habe seine Aufgabe verfehlt. Erdland spielt damit auch auf die vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebene Studie zur Kostenbegrenzung bei Riester-Produkten an.

Die Angst, Neugeschäft zu verlieren

Die Abläufe ähneln dem Szenario, das sich vor noch nicht allzu langer Zeit in der privaten Krankenversicherung abspielte. Als die öffentlichen Klagen über Provisionsexzesse unüberhörbar laut geworden waren, rief der PKV-Verband auch nach dem Gesetzgeber, weil man aus wettbewerbsrechtlichen Gründen das Problem selbst nicht lösen könne. Aber warum eigentlich schafft die Branche es nicht aus eigener Kraft? Alternative Vergütungsformen sind in der Lebensversicherung seit langem bekannt. Bereits in den frühen 90er Jahren wurde mehr oder weniger heftig über ungezillmerte Tarife diskutiert, bei denen die Provisionen ratierlich über die Laufzeit fließen. Wenn dieses Modell noch mit einer angemessenen Höhe der Gesamtprovision kombiniert würde, käme ein faires Konzept für den Sparer heraus. Aus Angst aber, im Neugeschäft vom Vertrieb gemieden zur werden, packt so gut wie kein Marktteilnehmer eine solche Vergütungsform an.

Großvertriebe besonders betroffen

Die Bedenken sind auch nicht ganz ungerechtfertigt: Von einer Begrenzung der Provisionen wären vor allem die Großvertriebe betroffen, die zur Finanzierung ihres Apparates mit mehrstufigen Strukturen die heute gezahlten Provisionen von bis zu sechs oder sieben Prozent benötigen. In der Diskussion ist derzeit eine Beschränkung auf vier Prozent. Gerade die Großvertriebe würden daher die Vorstöße einzelner Anbieter mit Missachtung im Neugeschäft strafen. Kommt eine gesetzliche Regelung, bleibt ihnen hingegen nichts anderes übrig, als sich zu fügen und gegebenenfalls die eigene Effizienz zu verbessern.


Gemessen an den gesamten Betriebskosten machen die Provisionen mit rund 60 Prozent den größen Anteil aus:

Quelle: KIVI, Analyse Oliver Wyman