Nullzins und Nichtstun – die wahren Risiken der Geldanlage
Legt man einen differenzierten Blick auf die rund sechs Billionen Euro Geldvermögen deutscher Haushalte, wird eine ausgeprägte Aktienphobie sichtbar.
Nur sechs Prozent börsennotierte Aktien und zehn Prozent Investmentfonds finden sich im Portfolio deutscher Sparer. Dafür liegen 39 Prozent auf Giro-, Spar- und Festgeldkonten und 37 Prozent in Lebens- und Rentenversicherungen.
Der deutsche Anleger hat seit den 50er und 60er Jahren „gelernt“ , dass man mit Lebensversicherungen sein Geld steuerfrei verdoppeln kann, mit sicheren deutschen Anleihen ordentliche Zinserträge erzielt und Aktien mit Risiko gleichgesetzt werden. Die jahrzehntelang antrainierte Mentalität, dass man Altersvorsorge über die gesetzliche Rentenversicherung, Lebensversicherungen, festverzinsliche deutsche Staatsanleihen und Festgelder gestalten kann, greift aber nicht mehr. Allerdings ist es auch verständlich, dass man das eigene Sparverhalten nicht in wenigen Jahren ändern kann.
Angst vor Fehlern führt zu Handlungsunfähigkeit
Hinzu kommt, dass die Angst, etwas falsch zu machen, so groß ist, dass man Geld lieber auf fast zinslosen Konten belässt. Auf dem Kontoauszug wird es ja nicht weniger. Inflationsgefahren werden so ausgeblendet. Alles, was Kursschwankungen verursacht, und damit automatisch alles, was an der Börse gehandelt wird, fürchten die Sparer. Dabei werden Aktien als spekulatives Investment und nicht als Anteil an einem Unternehmen, also als Substanzwert, ähnlich wie Immobilien, wahrgenommen.
Nullzinspolitik als Novum
Die Notenbanken tun derzeit alles, um die Verbraucherpreise nach oben zu treiben. Das ist bisher kaum gelungen. Im letzten Jahr stieg die Inflation lediglich um 1,4 Prozent. Das Zinsniveau befindet sich seit zwei Jahren auf einem historischen Tief. Im Gegensatz zu Sparern aus der Schweiz und Japan sind deutsche Anleger solch eine Zinssituation nicht gewöhnt.
Allerdings sind die Vermögenspreise angezogen. Im Jahresvergleich haben sich Immobilien um 8,2 Prozent, Aktien um 11,8 Prozent und Betriebsvermögen um gut 24 Prozent verteuert. Wer hier schon investiert ist, konnte sich also über kräftige Wertsteigerungen freuen. Jungen Menschen fällt es nun aber deutlich schwerer, für die Altersvorsorge oder ein Eigenheim zu sparen.
Zinswende nicht in Sicht
Zwar stiegen im ersten Quartal die Renditen von zehnjährigen Bundesanleihen von 0,55 auf 0,80 Prozent. Allerdings war dies nur eine kurzfristige Erscheinung. Aber selbst wenn, die Anleihekäufe der EZB zurückgehen und das Zinsniveau leicht ansteigt, ist das keine Entwicklung, die den Namen Zinswende verdient.
Italien, Spanien, Belgien und Portugal sind hoch verschuldet. Insbesondere für Italien würde eine deutliche Zinsanhebung schlicht die Zahlungsunfähigkeit bedeuten. Die EZB hält derzeit fast ein Drittel aller ausstehenden italienischen Staatsanleihen und ist praktisch der einzige Käufer dieser Papiere. Selbst italienische Banken, die große Positionen dieser Papiere halten, verkaufen diese an die EZB. Damit ist die Abhängigkeit der italienischen Wirtschaft vom Anleihekaufprogramm extrem hoch. Schon aus diesem Grund ist nicht anzunehmen, dass die Zinsen wieder auf ein Niveau wie vor der Finanzkrise steigen werden. Wenn Anleger aber darauf warten, verliert ihr Geld auf Spar-, Tages- und Festgeldkonten permanent an Kaufkraft.
Ohne Aktien kein Vermögenszuwachs
Ganz ohne Aktien wird es sehr schwer bis unmöglich werden, einen Vermögenszuwachs zu erzielen. Da die meisten Gelder über Jahre auf Einlagekonten liegen und ohnehin nicht abgerufen werden, ist der mittlere bis längere Anlagehorizont, den man für Aktienanlagen berücksichtigen muss, in der Regel unproblematisch.
Wenigstens eine Beimischung von 20 bis 30 Prozent internationaler Aktien mit stabiler Wertentwicklung und einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell sollten es schon sein, um den Effekten von Nullzins und Inflation zu begegnen. Die meisten bekannten Fondsgesellschaften bieten hier defensive Strategien mit mittleren Risikoeinstufungen. Eine Kombination aus verschiedenen Fonds dieser Gruppe sorgt dafür, dass man unterschiedliche Anlagephilosophien in sein Portfolio integriert und nur geringe Depotanpassungen vornehmen muss. Die meisten dieser Strategien kann man auch monatlich, teilweise schon ab 25 Euro über einen Fondssparplan, besparen. Das wäre wenigstens ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Ab und zu schreiben Experten für das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA), die nicht zum Kernteam gehören. Aber was bedeutet das schon. Gäste empfängt man immer am wärmsten.
Wie Andreas Görler. Er ist Senior Wealth Manager beim Vermögensverwalter Wellinvest Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.
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