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Rentenansagen ohne Gewähr

Prominente Ökonomen lassen kein gutes Haar an den Vereinbarungen zur Bildung einer neuen Großen Koalition, die allerdings noch den Stresstest der Mitgliederbefragung der SPD bestehen muss.

„Insgesamt strahlt die GroKo Mutlosigkeit und Rückwärtsgewandtheit aus. Sie wird die gesellschaftlichen Spannungen nicht aushalten können“, kommentiert der Jenaer Wirtschaftswissenschaftler Andreas Freytag.

Dass sich niemand mehr um Generationengerechtigkeit schert, bekümmert Thomas Apolte von der Universität Münster. Er hält die Beschlüsse für „ineffektiv und teuer“. Nahezu alle Befragten vermissen eine geschlossene Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft, die von einer „programmatisch entkernten CDU und einer reideologisierten SPD“, so Gerhard Wegner von der Erfurter Universität, nicht zu erwarten seien.

Für allenthalben weltfremd und als falsches Tabu wird die Verdrängung der Notwendigkeit einer längeren Lebensarbeitszeit betrachtet. EU-Kommissar Günther Oettinger hält das ebenso für falsch wie weite Teile der Unionsparteien, die im Gegensatz zur SPD ja nicht gefragt werden.

Die frühere Bundesverfassungsrichterin Renate Jaeger, Mitglied der SPD, weist in einem Interview mit dem SPIEGEL daraufhin, dass wir seit den 80er Jahren fast eine Verdopplung der Rentenbezugszeit haben. Sie spricht sich für eine weitere Steigerung der Lebensarbeitszeit parallel zur Lebenserwartung aus. Der Einwand ihrer Partei: Manche Berufstätige können in diesem Alter nicht mehr aktiv sein. Aufgeführt wird vor allem der Beruf des Dachdeckers. Jaeger kontert mit dem Hinweis: „Der Dachdecker kann ja im Alter etwas anderes machen, am PC arbeiten, den Lkw fahren oder Ähnliches. Vielleicht wird er auch den Beruf wechseln müssen.“ Solche Themen werden in den GroKo-Gesprächen mit Rücksicht auf die SPD schlicht ausgespart. So entsteht der Eindruck, ganz Deutschland bestehe aus Dachdeckern.

Zusagen mit der Stabilität einer Seifenblase

Endgültig abgeräumt hat die  SPD die ohnehin ungeliebte Agenda 2010 des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder und seines Arbeitsministers Franz Müntefering. So soll das heutige Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittslohnes bis 2025 unverändert bleiben. Eine Ansage, die wie beim Toto-Spiel mit Sicherheit ohne Gewähr erfolgt. Wenn die Babyboomer in Rente gehen, zerplatzt diese Zusage wie eine Seifenblase. Arbeitgeber rechnen mit Mehrbelastungen für den Zeitraum bis 2025 in Höhe von 15 Milliarden Euro. Statt die Frage der Garantien der geplanten Großen Rentenreformkommission zu überlassen, schreibt man diese als Beruhigungspille für die Genossen an der Basis gedachte soziale Wohltat schon jetzt fest.

Die Verlockung gut gefüllter Rentenkassen

Die Mütterrente im sogenannten „Rentenpaket II“ ist besonders teuer. Sie ist das Leib- und Magenprojekt von CSU-Chef Horst Seehofer. Mütter von drei oder mehr Kindern, die vor 1992 geboren sind, sollen einen zusätzlichen Aufschlag von einem Entgeltpunkt – was augenblicklich etwas über 31 Euro pro Monat in den alten Bundesländern ausmacht – bekommen. Das kostet etwa dreieinhalb Milliarden Euro jährlich, wofür vor allem die Beitragszahler, aber auch der Bund aufkommen soll. Vor weiteren Belastungen für die im Augenblick angesichts geringer Arbeitslosigkeit gut gefüllten Rentenkassen warnte bereits die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach.

Überzeugung mit dem sozialpolitischem Füllhorn

Allgemein geht man nach dieser Ausbreitung des sozialpolitischen Füllhorns davon aus, dass die knapp halbe Million Mitglieder in der SPD nun zustimmen werden. Sollte das nicht der Fall sein, wären Neuwahlen unumgänglich. Das will die SPD, die in Umfragen auf bis zu 17 Prozent gefallen ist, auf jeden Fall verhindern. Stark geschwächt in seiner Autorität ist der SPD-Vorsitzende Martin Schulz, dessen Glaubwürdigkeit dahin ist. Zunächst verlor er krachend die Wahl. Dann schloss er aus, in ein Kabinett Merkel einzutreten. Jetzt strebt er ein Ministeramt unter seiner Gegenkandidatin aus dem Bundestagswahlkampf an. So viel Zickzack ist vielen Genossen nicht geheuer. Insgesamt geht man aber davon aus, dass die realpolitische Vernunft der Basis größer als die der Funktionäre im Mittelbau ist.

Keine tollen Tage in der Hauptstadt

Ansonsten ist in Berlin in dieser Woche wenig los. Die Spitzenpolitiker der Großen Koalition sind noch erschöpft von den langwierigen Verhandlungen. Im Vergleich zu Jamaika verliefen diese aber noch relativ zügig. In der kommenden Woche ist Karneval, Fasching oder Fasnet – je nach Landstrich – angesagt. In Bonner Regierungszeiten ein närrischer Höhepunkt. Seinerzeit hatte die Unionsfraktion sogar einen eigenen Elferrat. Es gab eine Prunksitzung. Das nüchterne Berlin hat die Republik verändert. Tolle Tage gibt es in der Hauptstadt nicht, jedenfalls nicht in dieser Jahreszeit.