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Ex-Kanzlers Standpauke

Politik ist irrational.

Da könnte eine Partei wie die SPD stolz auf ihren früheren Kanzler Gerhard Schröder verweisen. Er, der vor 13 Jahren mit seiner rot-grünen Bundesregierung die Agenda 2010 durchgesetzt hat und Deutschland vom kranken Mann Europas in ein wettbewerbsfähiges Vorzeigeland verwandelt hat.

Was Wirtschaftsexperten und auch politische Gegner anerkennen, seine eigenen Genossen haben dem Niedersachsen diese tiefgreifende und mutige Reform, die ihm die Kanzlerschaft gekostet hat, weithin nicht verziehen. Für Ideologen ist er der Genosse der Bosse geblieben und darauf darf man nicht stolz sein.

In dieser Woche wurde in Berlin an die historischen Verdienste des früheren Regierungschefs erinnert. Schröder erhielt den renommierten Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik der in Bonn ansässigen Ludwig-Erhard-Stiftung, den vor ihm auch schon sein inzwischen aus der SPD ausgetretener Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement erhalten hatte. Gewürdigt wurde Schröder von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der einräumte, dass nachfolgende Regierungen noch von der Agenda 2010 gezehrt hätten.

Solche Lobesworte hört Schröder in der eigenen Partei so gut wie gar nicht. Geschmeichelt schrieb er Regierung wie Opposition in seiner Dankesrede dann auch manches ins Stammbuch. Die Rentendiskussion spielte dabei eine zentrale Rolle. Die Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren hält er für einen schweren Fehler. Gleichzeitig forderte er mehr Flexibilität in dem zu starr regulierten Erwerbsleben und verteidigte die Entscheidungen seiner Regierung zum Rentenniveau. Der Eintritt ins Rentenalter hänge von der demographischen Entwicklung ab, eine weitere Steigerung sei nicht auszuschließen.

Hatte der Vorsitzende der Erhard-Stiftung, der Publizist Roland Tichy in seiner Einstiegsrede noch von der Richtungs- und Orientierungslosigkeit der Bundesregierung gesprochen, gab sich Schröder in seinem Urteil etwas milder. Seinem Eindruck zufolge hat die Große Koalition seit längerer Zeit eine Reformpause eingelegt, die es angesichts der massiven Herausforderungen der Globalisierung nun zu beenden gelte.

Politischer Biedermeier

In Teilen glich Schröders Philippika einer Standpauke für die Bundeskanzlerin und seinen niedersächsischen Genossen, Bundeswirtschaftsminister Gabriel. So sprach er vom „politischen Biedermeier“, die Flüchtlingsfrage sei „mit viel Herz und wenig Plan“ gestaltet worden, auch wenn die Integrationsprobleme bei einer großen gemeinschaftlichen Kraftanstrengung lösbar seien.

Hochrangige Genossen waren bei der Ehrung nicht vor Ort. Die Aussagen zur Rente hätten sie wahrscheinlich unbeeindruckt gelassen. Hört man doch immer mehr alarmistische Töne im Kampf gegen die angeblichen Gefahren der Altersarmut. Dabei kommt immer mehr das Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung in die Diskussion, ohne dass die Folgen bestimmter Grenzwerte für die jungen, aktiven Arbeitnehmer thematisiert werden. Man kann in den zu entrichtenden Sozialabgaben auch ersticken.

Vertraut man Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, werden wir im November schlauer sein. Dann will sie im Kampf gegen Altersarmut ein Gesamtkonzept vorlegen und dabei auch Aussagen zum künftigen Rentenniveau machen. Manche Genossen erhoffen sich dabei weitere Reparaturen an der Agenda 2010. Sie werde einen Vorschlag zur Verhinderung des weiteren Absinkens des Rentenniveaus unterbreiten. Dieses könnte bis 2030  nach derzeitigem Stand auf bis zu 43 Prozent des Durchschnittseinkommens fallen. Im Konzept der Ministerin sollen aber nicht nur die gesetzliche, sondern auch die betriebliche und private Altersvorsorge gestärkt werden.

Apropos betriebliche Vorsorge. Noch immer wartet man auf ein vernünftiges Konzept zur Stärkung der betrieblichen Vorsorge, das mehr Arbeitnehmern Schutz im Alter geben kann und Arbeitgeber wie Arbeitnehmer in ein intelligentes Gemeinschaftskonzept einbindet. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die Studien der Ministerien für Finanzen und Soziales zeigen Lösungswege auf, was fehlt, ist ein praktikabler Gesetzentwurf aus dem Hause Nahles, mit dem sich das Parlament, die Wirtschafts- und Sozialverbände auseinandersetzen können.