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Babyboomern droht Kassenruin

Den Babyboomern droht bald ein Kassenruin. Wenn sie Mitte der 20er Jahre in den Ruhestand strömen, überfordern sie nämlich die Kassen der Rentenversicherung. Dann erinnert sich die Politik vermutlich selbstkritisch an die überhörten Warnungen von 2018.

Um den Zusammenhalt der Großen Koalition nicht weiter zu gefährden, verabschiedete in dieser Woche der Bundestag das zweite Rentenpaket. Das Gesetz sieht Verbesserungen bei der Mütterrente und eine Rentengarantie vor. So soll das Sicherungsniveau bis 2025 auf 48 Prozent festgeschrieben werden. Gleichzeitig soll der Beitragssatz 20 Prozent nicht übersteigen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will die 48-Prozent-Grenze sogar für zwei Jahrzehnte sichern, nämlich bis 2040. Er rechnet mit so stark sprudelnden Steuereinnahmen, dass diese Zusage auch finanzierbar ist. Zahlreiche Wissenschaftler sind da gegenteiliger Auffassung.

Bei der Anhörung im Bundestag machte zu Beginn dieser Woche der Bochumer Finanzwissenschaftler Martin Werding noch eine beunruhigende Rechnung auf. So belastet das verabschiedete Rentenpaket Beitrags- und Steuerzahler von 2019 bis 2025 mit mehr als 30 Milliarden Euro. Da der Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent durch die neuen Ausgaben schneller steigen dürfte, müssen dafür – so Werding – spätestens 2025 erstmals zusätzliche Steuerzuschüsse an die Rentenkasse fließen. Bis dahin werden die Mehrausgaben durch Beitragserhöhungen und durch die Auflösung der Finanzreserve von 35 Milliarden Euro finanziert. Werding fordert in seinem Gutachten angesichts des demografischen Wandels eine von Zurückhaltung geprägte Rentenpolitik. Änderungen des Rentenrechts dürften nicht zu zusätzlichen Ausgaben im System führen. Werding ist nicht irgendwer, sondern ein renommierter Gutachter des Finanzministeriums. Er verfasste für seinen Auftraggeber zuletzt einen Bericht zur Tragfähigkeit der Staatsfinanzen.

Langfristige Finanzierung bleibt ungeklärt

Ähnlich geartete Warnungen sprach schon zuvor der zur Rentenkommission gehörende Wissenschaftler Axel Börsch-Supan aus. Für ihn wird der ohnehin schon mit rund 100 Milliarden Euro durch die Rente belastete Bundeshaushalt bis 2030 mit weiteren 45 Milliarden Euro strapaziert. Bis 2035 steige diese Summe auf 80 Milliarden Euro an. Auch die Deutsche Rentenversicherung betrachtet die Entscheidungen des Bundestages mit Skepsis. Zur geplanten Garantie heißt es in der Stellungnahme der Rentenversicherung gegenüber dem Parlament: „Der Bund übernimmt damit mehr Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung.“ An anderer Stelle erklärt sie, dass „Fragen zur langfristigen Finanzierung ungeklärt“ sind. Kritisch sehen viele Seiten, dass eine von der Bundesregierung eingesetzte Rentenkommission einen langfristigen Vorschlag zur Rentensicherung vorlegen soll, vorher aber noch kräftig draufgesattelt wird. Auch kann die Altersarmut mit dieser ungezielten Vorlage nicht bekämpft werden, bemängelt der FDP-Experte Vogel.

Sozialverband kritisiert Heils Rentenpaket

Auch der Sozialverband VdK ist mit dem neuen Rentenpaket noch nicht zufriedengestellt. Die VDK-Präsidentin Verena Bentele warnt vor einer Benachteiligung älterer Seniorinnen: „Es ist unerträglich, dass bedürftige Rentnerinnen die geplanten Verbesserungen bei der Mütterrente vollständig mit der Grundsicherung verrechnen müssen“, kritisiert Bentele. Sie fordert einen monatlichen Freibetrag von 208 Euro in Anlehnung an die Regelungen bei der betrieblichen und privaten Vorsorge. Es ist „nicht gerechtfertigt, dass diese Regelung nicht auch für Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt“, heißt es in einem VdK-Statement.

Renteneintrittsalter muss flexibler werden

Die 2017 eingeführte Flexi-Rente ist offenkundig ebenso ein Flop. Nicht einmal ein Prozent der Neurentner nimmt diese auf Druck der Unions-Mittelständler durchgesetzte und als Anreiz zum längeren Arbeiten gedachte Regelung in Anspruch. Johannes Vogel, der Rentenexperte der Freien Demokraten, nennt das Modell „schlichtweg nicht attraktiv genug“. Er wirbt deshalb für ein wirklich flexibles Renteneintrittsalter. Sein Vorbild ist Schweden. Das Land geht nach dem einfachen Prinzip vor: „Wer früher geht, kriegt weniger. Wer später geht, erhält mehr Rente.“ Diese Regelung führe dazu, dass Schweden faktisch ein Land mit einem der höchsten Renteneintrittsalter ist. Auch die Hinzuverdienstgrenzen für Rentner sollten nach Ansicht Vogels abgeschafft werden.